Schwerelos wie ein Kosmonaut | Space Affairs

Schwerelos wie ein Kosmonaut

Mein Schritt in die Schwerelosigkeit

Schwerelos wie ein Kosmonaut

Mein Schritt in die Schwerelosigkeit

von Pierre Schöchlin (CH) Oktober 2006

Article Header Alles hat vor 36 Jahren mit den Bildern von der Mondlandung begonnen. Als Bub durfte ich mit meinem Vater die Landung von Apollo 11 live am Fernsehen mitverfolgen.

Seitdem sind diese Bilder in meinem Kopf eingeprägt und die Faszination der Schwerelosigkeit ein Traum geblieben.

Alles was mit Raumfahrt und Universum zu tun hat, interessiert mich. Vor ein paar Jahren habe ich von Parabelflügen in Amerika gelesen. Die waren aber sehr teuer und deshalb auch kein Thema.

Article ImageDie Ilyushin 76MDK des Gagarin Cosmonaut Training Centers

Als ich hörte, dass in Russland solche Flüge angeboten werden, machte ich mich im Internet auf die Suche und kam auf die Seite von Space Affairs und meldete mein Interesse per E-Mail an.

Von da an ging alles sehr schnell. Andreas Bergweiler aus Deutschland rief mich an. Jetzt musste ich mich entscheiden, ob mein Traum Realität wird, oder ob es weiterhin nur ein Traum bleiben soll! Ich entschied mich für die erste Variante, obwohl ich keine Ahnung hatte was auf mich zukommen würde. Datum, Anmeldung, Check-up beim Arzt und Visum, alles schien einfach zu gehen, als ob es das Alltäglichste auf dieser Welt sei.

Dann 4 Tage vor dem Abflug wurde alles annulliert! Der ganze Luftraum war wegen einer Militärübung geschlossen und alle Ilyushin 76 im Einsatz! Da brach für mich eine Welt zusammen! Seit 35 Jahren hatte ich auf diesen Augenblick gewartet und mit einem Telefonat wurde alles zu Nichte gemacht. Etwas später wurde aber ein neuer Termin festgelegt und so konnte ich wieder hoffen. Bis zum letzten Tag war ich skeptisch, ob dieses Mal auch alles klappen würde.

Article ImageThe Zero-G Flugteilnehmer mit Andreas P. Bergweiler

Und es funktionierte! Als einziger Schweizer flog ich von Zürich nach Moskau. Dort schneite es bei minus 5 Grad! Ich wartete auf die Gruppe aus Deutschland. Kaum waren sie angekommen begann der Transfer mit einem Kleinbus nach Star City, eine Kosmonauten-Stadt mit rund 6.000 Einwohnern. Dort fand anschließend eine kurze Info über den Flug am nächsten Tag mit unserer Besatzung statt. Kurzes aber üppiges Nachtessen mit Bier, aber ohne Wodka! Schließlich mussten wir schon um 6 Uhr aufstehen? Jeder bekam noch einen originalen Overall der NASA, worüber wir uns sehr freuten.

Nach einer kurzen Nacht und einem, für mich, sehr bescheidenen Frühstück (Kaffee, Wasser, Banane) fuhren wir zur Chkalovsky-Airbase. Es wurde wenig geredet, den jeder war in seinen Gedanken vertieft und niemand von uns wusste wirklich was kommt. Als wir in den militärischen Bereich der Airbase einfuhren, gab es ein wenig Ärger! Die Russen hatten keine Freude an unseren NASA Overalls mit amerikanischer Flagge und wollten, dass wir sie entfernen! Da sie aber aufgenäht waren, wäre, dass kein leichtes Unterfangen. Nach ein paar Verhandlung durch Andreas und den Verantwortlichen war es dann doch kein Problem mehr.

Plötzlich stand unsere Ilyushin 76 vor uns. Was für ein Anblick, die Maschine war viel imposanter als ich dachte! Es war eiskalt, minus 8 Grad und die Besatzung war gerade dabei das Flugzeug zu enteisen, was mich nicht unbedingt beruhigte. Kaum eingestiegen, erhielt jeder von uns einen Fallschirm. Nix mit Schwerelosigkeit, sondern zunächst zusätzliche 20 Kg auf dem Rücken!

Dann, eine halbe Stunde Instruktion wie man mit dem Fallschirm notlandet in allen Variationen in einem Feld, im Wald und im Wasser. Dazu gab es verschiedene Arten sich von seinem Fallschirm zu lösen und ich hoffte nur, dass es nicht so weit kommen würde.

Die Fallschirme sind nur während des Starts zu tragen, weil die Ilyushin keine Sitze besitzt, ursprünglich als Transportflugzeug vorgesehen wäre das auch Platzverschwendung.

Article ImagePierre während des Medical Checks

Dann warteten wir und warteten. Nach fast 2 Stunden kam dann die Nachricht: der Flug wird wegen schlechtem Wetter und Eisregen annulliert. 'Safety first' hieß es dann: o.k. wir nahmen es gelassen, morgen ist ja auch ein Tag und wir wollten ja auch nichts riskieren. Wir schnallten unsere Fallschirme alle wieder ab und warteten auf neue Ereignisse.

Nach einiger Zeit tat sich jedoch etwas im Flugzeug: die Besatzungs-Crew wirbelte herum und jeder nahm Platz. Nach ein paar Minuten war uns allen klar, dass wir doch starten? Nicht unbedingt beruhigend nach der Meldung kurz vorher. Also wieder Fallschirm angeschnallt, und schon ging es los. Nachdem wir auf der Flughöhe von 6.000 m angekommen waren, durften wir die Fallschirme ablegen. Endlich fühlte ich mich etwas freier.

Erst jetzt wurde mir klar, dass es kein Spaziergang würde. Es gab keine Sitze und ich musste mich beim take off fest an einer Stange halten.

Das Steigen dauerte eine ganze Weile und ich mache mir gewisse Gedanken, ob das wirklich die richtige Entscheidung war.

Eine Stimme aus dem Lautsprecher riss mich aus meinen Gedanken. Ich verstand zunächst kein Wort, es war russisch, ich wusste jedoch, dass jetzt irgendetwas passieren würde.

Article ImageDas Cockpit des Navigators der Ilyushin 76MDK

Im gleichen Augenblick spürte ich wie mein Körper zusammengestaucht wurde. 'Das müssen die 2-G sein' dachte ich und versuchte mein gestrecktes Bein zu heben: keine Chance, unglaublich!

Kurz darauf eine neue Anweisung und schon waren wir in der Luft! Ich hielt mich wo ich konnte, denn nur die kleinste Bewegung beschleunigte meinen Körper in alle Richtungen! Ein Wahnsinnsgefühl, endlich diese Schwerelosigkeit zu spüren und ich genoss einfach diesen Augenblick. Nach 27 Sekunden trat die Schwerkraft wieder ein und ich landete unsanft auf der Matte am Boden.

Darauf kamen wieder die 2-G, und wieder war ich wie gelähmt und wartete auf den 0-G. Diesmal traute ich mir etwas mehr zu und flog auf die andere Seite ohne jegliche Anstrengung! Was für ein Gefühl! Ich hing an der Decke und vergaß, dass ich zu Boden gehen musste bevor die Schwerkraft wiedereinsetzte. Zum Glück zog mich ein Instruktor am Bein wieder runter, das war knapp!

Nach der 3. Parabel schwitzte ich ziemlich stark und es wurde mir übel. Mist ... ich musste mich übergeben! Ein Instruktor hatte es schon gemerkt und streckte mir eine Tüte hin, leider kam nur Magensäure auf. Bei den nächsten 2 weiteren Parabeln versuchte ich mich zu entspannen und ruhig zu atmen, was mir auch gelang. Jetzt wollte ich aber das Ganze noch verewigen und machte ein Foto und versuchte zu filmen, was nicht so einfach war, wenn man schwerelos ist. Die Gesetze auf der Erde stimmen hier überhaupt nicht mehr, man ist in einer neuen Dimension, die total fremd ist.

Bei der letzten und 10. Parabel war es mir wieder nicht mehr so wohl und ich war froh als es vorbei war.

Ich hätte nie gedacht, dass die Belastung auf den Körper so extrem sein würde! Nach der Landung ging es mir aber schon wieder gut, aber ich war kaputt und erledigt als hätte ich 2 Marathon-Läufe hintereinander gemacht!

Article ImageFlugzertifikate aus der Hand des Kosmonauten Yuri Ornufrijenko

Durch die Verspätung am Morgen gingen wir anschließend essen und danach ins Gagarin Museum. War super interessant, aber mein Bett wäre mir lieber gewesen!

Vor dem Nachtessen konnte ich mich dann endlich eine Stunde hinlegen. Danach hatte ich so richtig Hunger und freute mich auf die russische Küche! Dabei konnten wir unsere Erfahrungen austauschen. Die meisten hatten mit mir Erbarmen, weil es mir eine Zeit lang so übel war. Trotzdem habe ich es genossen.

Es war eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Und wer weiß, vielleicht war das ja nicht mein letzter 0-G flight!

Nach diesem Flug waren wir uns alle einig, etwas gemacht zu haben, was die wenigsten Leute auf dieser Welt erleben werden. Aus uns Teilnehmern ist in dieser kurzen Zeit ein Team und eine Freundschaft entstanden, die uns ewig bleiben wird.

Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum!

Herzlichen Dank an Andreas Bergweiler, der es mir ermöglichte dies zu erleben!

Pierre Schöchlin, Oktober 2006


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Pierre, ein selbstständiger Physiotherapeut aus der Schweiz träumt seit 1969 vom Weltall.

Im Oktober 2006 wagte er dann den Schritt in die Schwerelosigkeit, indem er an unserer Eventtour "Zero G Flight - Schwerelos wie die Kosmonauten" innerhalb einer Gruppe von wagemutigen Männern teilnahm.

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