Die Erfüllung meines Jugendtraums
Einmal mit einer MIG-29 im Himmel
Ich habe mir meinen Jugendtraum erfüllt. Einen Flug mit der MIG-29. Und hier will ich das Erlebnis dokumentieren, was mich für den Rest meines Lebens begleiten wird.
Es war der 26. September 2007, als ich um 10.00 Uhr in meinem Hotel in Niszhny Novgorod abgeholt wurde. Die Fahrt ging voller Spannung in Richtung Airbase und der Dolmetscher erzählte einige interessante Dinge über die Stadt.
Natürlich war ich schon früh wach und sehr aufgeregt. Verständlich. Es war der Tag mit einem unglaublichen Vorhaben. In der Airbase angekommen, wurde ich nett von einer Schar von Leuten empfangen. Sie sagten mir einiges über das dortige MIG Werk und wie viel Jets dort jährlich gebaut werden. Dann ging es nach oben in die erste Etage. Dort sollte ich meinen Piloten treffen.
Es war Andrej, der in Deutschland stationiert war und er erzählte mir auch sofort, dass seine Tochter in Dresden geboren wurde. Wir verstanden uns sofort und er fragte, wie ich denn nun mit der MIG-29 fliegen möchte. Ich erklärte meine Wünsche (die ist er tatsächlich auch alle geflogen! Und noch mehr) und anschließend zeigte er mir auf einer Karte das Fluggebiet.
Anschließend ging es weiter zur Ärztin, wo ich meine medizinischen Voruntersuchungs-Unterlagen aus Deutschland vorlegte. Nach dem medizinischen Check inkl. Blutdruckmessung ging es dann zur Einkleidung. Wie spannend. „Das erste Mal einen Jet Helm tragen“, dachte ich. Die Leute von der Einkleidung hatten ein sehr gutes Augenmaß. Hose, Jacke, G-Force Hose und Helm passten sofort. Die Sauerstoffmaske musste gegen eine kleinere gewechselt werden. Dann kamen die Übungen, die Sauerstoffmaske mit den Handschuhen blind ab und auf zu setzen.
Es hat alles funktioniert. Mein Pilot war auch fertig und dann ging das Abenteuer endlich los. Runter zum Fahrzeug. Mein Pilot Andrej nahm neben mir Platz.
Quer durch die Straßen der Airbase und dann auf das Startbahngelände. Ich sah die MIG-29 unverkennbar schon von weitem. Mein Herz ging schneller. Wir stoppten und ich stieg aus. Mit Fliegermontur und Helm in der Hand. Da war sie nun. Ich stand vor einer „bösen“ MIG-29“. Ihre Schönheit und der dabei kraftvolle Ausdruck unterstrichen mein Verlangen, Sie zu berühren. Ich musste sie anfassen. „Gigantisch“, dachte ich. Mein Pilot Andrej sagte mir, dass wir gemeinsam nun die Maschine checken. Er zeigte mir alles und erklärte, warum das wichtig ist. Das war sehr interessant, in die Ansaugschächte mit den Steuerklappen zu schauen. Dann sollte ich einsteigen. „Jetzt wird es ernst“, dachte ich. Also, die Leiter hoch und dann hupps, wie geht das? Um die MIG-29 stand natürlich das Bodenpersonal bereit, die mir den Einstieg genau erklärten. Also erst auf das Sitzkissen steigen, dann die Füße rechts und links neben den Steuerknüppel, das Sitzpolster wieder raus und dann in den Sitz setzen. Großartiges Gefühl. Passt irgendwie alles.
Instrumente starrten mich an. Aber jetzt kam das Anschnallen. Ein F-1 Fahrer kann nicht besser angeschnallt sein. Ich wurde richtig festgezurrt. Und ich meine „fest“. Ein Techniker fragte immer, ob alles ok ist. Ich konnte nur meine Füße, Arme und den Kopf bewegen. Ach ja, atmen auch noch. Mein Körper war kein Stückchen zu bewegen. Und später sollte ich erfahren, warum!
Andrej erklärte mir akribisch die Instrumente und den G-Force Meter. Bei 9-G war Ende. Zu guter Letzt wurde mir erklärt, ich solle doch bitte nicht an den Schlaufen zwischen meinen Beinen ziehen. Sie betätigen den Schleudersitz. Im Notfall übernimmt das Andrej. „Alles ok?“, war die Frage und ich antwortete „Ja“. Dann sollte ich den Helm aufsetzen und meine Sauerstoffzufuhr testen. Ich wurde an den Computer der MIG-29 angeschlossen und war somit „startklar“, nachdem ich auch meine Handschuhe angezogen hatte. Andrej nahm nun selber vor mir im Cockpit seinen Platz ein. Er sagte, ich solle aufpassen, da er jetzt das Cockpit schließt Die Kanzel senkte sich und rastete hörbar ein. Dann startete Andrej die Triebwerke mittels externer Energiezufuhr. Es vibrierte. Sie waren nicht laut, aber merklich kraftvoll. Ich beobachtete die Instrumente. Drehzahl, Öldruck, blinkende Anzeigen, die von Rot auf Grün sprangen. Einfach toll. Ich hörte den Funk und das Bodenpersonal sprach mit Andrej.
Dann die Freigabe des Bodenpersonals und der Gruß für die Abmeldung. Ich hielt auch meine Hand an den Helm und verabschiedete mich. Es gab einen kleinen Ruck und die MIG-29 rollte langsam an. Beim Rollen zur Startbahn sah ich rechts von mir meine Begleiter, das Bodenpersonal und auch meine Frau, die das Abenteuer betrachtete. Es ging links herum zur Startbahn und dann wurde mir beeindruckend klar, dass ich wirklich in einem der besten Kampfflugzeuge der Welt saß. Es war kein Game, kein Traum und kein Film. Ich saß real in der MIG-29 und mein bestes Abenteuer begann. Wir bogen rechts ab auf die Startbahn. Mein Herz raste. Mittels eines Knopfes konnte ich mich direkt mit Andrej unterhalten. Dann hörte ich das Gespräch, was Andrej mit dem Tower führte. Es vibrierte und Andrej fuhr beide Triebwerke zum Test hoch und runter. Er fragte, ob ich „bereit sei“. Ich sagte über Bordfunk nur „Ja“. Mehr brachte ich nicht raus.
Mein Herz raste wie bei einem Formel 1 Fahrer. Es fing an zu vibrieren. Es wurde lauter aber nicht übermäßig (der Helm wirkte auch als Schallschutz). Das Cockpit neigte sich nach unten. Ich sah noch zur Seite und dachte, „nah mal sehen, was jetzt kommt“. Andrej löste in dem Moment die Bremse und ich flog mit meinem Kopf nach hinten und klebte in meinem Sitz. Ich dachte nur „Wooh, was für eine Beschleunigung!“ Ich bin ja schon einiges gewohnt von meinem Motorrad, eine Yamaha R1. Aber die Beschleunigung der MIG-29 machte mich sprachlos. Nach gut 4-5 Sekunden hoben wir leicht ab. Es knallte unter meinen Füssen. „Ach ja, das Fahrwerk“, dachte ich noch. Und plötzlich hob sich ruckartig die Nase gen Himmel und wir rasten steil hinauf wie eine Rakete.
Ich schaute rechts aus dem Cockpit und sah meine Frau neben der Startbahn. Sie wurde schnell kleiner. Ich habe das immer auf den Luftfahrtausstellungen bewundert, wenn ein Jet nach dem Start direkt in den Himmel schoss. Jetzt machte ich es selbst. Nach einigen Sekunden dann der „Immelmann“. Die MIG-29 eng über Kopf in die Horizontale und um 180° rollen und schon waren wir auf 2.000m. Wahnsinn. „Ich stand doch noch gerade auf der Erde. Der heilige Wahnsinn“, dachte ich mir. Dann fragte mich Andrej, ob alles ok sei und ob wir Überschall fliegen wollen. Ich drückte den Knopf zum Bordfunk und sagte „Au ja, super“.
Der Höhenmesser stieg stetig, nicht druckvoll, da wir in einem geringeren Winkel stiegen. In einer Höhe von 12.000m (normale Passagierflugzeuge fliegen in 10.000m) angelangt, sagte Andrej, ich solle den Machmeter beobachten. Schon merkte ich, wie druckvoll die MIG-29 aus gut 750 km/h beschleunigte. Sehr beeindruckend. 0.8…0.9…Mach1…Mach 1.1…Mach 1.2. Die Zahlen rasten wie die MIG-29. Es dauerte nicht lange und wir erreichten 1.600 km/h. Andrej sagte „It’s enough“.
Er verlangsamte die MIG-29 in einer Kurve und ich merkte es auch an meinem Körper, der nach vorne gedrückt wurde. Nun sah ich auch unseren eigenen Kondensstreifen, an dem wir seitlich zurückflogen. Die Flughöhe verringert und im Unterschallbereich angekommen, sagte mir Andrej, dass wir jetzt mit einigen Flugmanövern beginnen würden und er mich am Ende immer fragen würde, wie es mir ginge. Ich könne jederzeit sagen, wenn es zu anstrengend sei. Ich sagte „verstanden“. Und dann hat Andrej mir gezeigt, warum die MIG-29 eines der besten Kampfflugzeuge der Welt ist. Die Kurven mit 3-G waren da noch der Lacher, wie ich noch feststellen sollte. Die MIG-29 hat einen super Rundumblick. Ich konnte jederzeit alles sehr genau um mich herum sehen. Für die Sicht nach hinten gab es 3 Rückspiegel. Andrej ließ die MIG-29 seitlich abfallen. Ich sah links unter mir die Erde klar und deutlich. Es war wolkenlos und sonnig. Dann begann eine Menge enger Kurven.
Ich schaute auf den G-Anzeiger. 3, na das geht ja. Aber ich merkte es deutlich, wie meine Beine bis zur Hüfte mehr und mehr zusammengepresst wurden. Andrej fragte immer, ob alles ok sei. Ich sagte ihm „Ja“ oder „Super“. Das hat er dann wörtlich genommen. Die Flugmanöver wurden schneller in der Abwechslung. Rollen. Die Welt dreht sich. In Rückenlage fliegen. Verrückt. Ich sah in der Kanzel nach oben und sah doch die Erde. „Verdrehte Welt“, dachte ich. Dann der „Zero-G-Flight“. Die MIG-29 tauchte ab und holte zum Schwung aus. Jetzt merkte ich extrem den immensen Druck auf meinen Körper. Der G-Anzeiger stieg auf „7“. Eine ungeheure Kraft wirkte auf meinem Körper. Ich bekam den rechten Arm sehr schwer hoch, als ob er 30 KG wog. Die G-Force Hose drückte meine Beine zusammen, so dass mein Blut nicht in die Beine gedrückt wurde. Somit konnte ich nicht den gefürchteten „Black Out“ bekommen.
Es ging mit 7-G aus dem Abfangmanöver steil nach oben wie eine Rakete. Ich sah in den Rückspiegeln die Erde und vor mir den blauen Himmel. Die MIG-29 schoss wie eine Rakete nach oben. Sie wurde langsamer, bis sie in der Luft für einige Sekunden stand. Es knallte. In den Rückspiegeln sah ich, Andrej hatte die Landeklappen ausgefahren. Ein Gefühl der Schwerelosigkeit überkam mich, die es ja auch tatsächlich kurzzeitig gab. Dann wurde es irre. Die MIG-29 fiel rückwärts nach unten und drehte sich dabei vorwärts über die Nase Richtung Erde. In dieser Position rasten wir der Erde wie ein Stein entgegen und wurden immer schneller.
Ich sah vor mir die Erde rasend näherkommen. Andrej fing die MIG-29 in einer Kurve in die Horizontale ab und wir rasten weiter. Auf meinem Körper lasteten wieder G-Kräfte. Rollen, rechts, links, hoch, runter. „Mein Gott, ist dieses Flugzeug wendig“ dachte ich, während der Computer den G-Kräften mittels der G-Force Hose entgegenwirkte. Man konnte meinen, die MIG-29 setzte die Gesetze von Newton außer Kraft. Ich fragte Andrej über Bordfunk, ob ich die MIG-29 selbst fliegen darf. „Yes, sure, it’s your control, Thomas“ war die Antwort. Ich also ran an den Steuerknüppel. Leichte Bewegung nach links. „Wooh“, sie reagierte sofort. Wir flogen leicht runter. Ich zog den Steuerknüppel in der Linkskurve leicht an mich und wir flogen augenblicklich höher. „Ist das cool“, dachte ich. „Ich fliege eine MIG-29“. Ich schwenkte nach rechts. Die Kurve wurde enger. Alles was ich mit dem Steuerknüppel machte, wurde von der MIG-29 augenblicklich umgesetzt. Verzögerungen oder Ungenauigkeiten war hier ein Fremdwort. Ich war fasziniert und sagte „Ok, it’s your control“.
Ich sah den Oka in die Volga münden. Andrej hatte die Zeit, mir auch die Schönheiten aus einem wirklich bösen Kampfflugzeug zu zeigen. Er sagte, wir sind jetzt 32 Minuten in der Luft. Und davon hatte ich jede Minute genossen. „Wir werden jetzt Richtung Flughafen fliegen“. Ich sagte „Ok“ und die MIG-29 kippte ab in Richtung Airbase. Und dann begann eine wirklich großartige Vorstellung. Wir machten über der Airbase zwei Loopings. Der G-Anzeiger kletterte auf „5“. Dann wieder der ZERO-G-Flight. Die MIG-29 stand senkrecht in der Luft. Landeklappen raus, Rückwärts runter und dabei über die Nase abkippen. Die Erde kam verdammt schnell näher. Abfangen und Ansatz zu einer weiten engen Schleife. Dann der Tiefflug. Mit ca. 600 km/h in 30m Höhe über die Airbase rasen. Ein Wahnsinn. Alles raste an mir vorbei. Ich sah die Gruppe meiner Begleiter und meine Frau links neben der Startbahn. Zum Greifen nah. Dann ab nach oben in einer weiten Schleife.
Jetzt sah ich die Airbase komplett und ich merkte in einer weiteren Schleife, wie das Fahrwerk hörbar ausklappte. Durch die großartige Übersicht sah ich den Anflug genau. Andrej setzte die MIG-29 seidenweich auf die Landebahn auf. Dann plötzlich das starke Abbremsen. „Ach ja, der Bremsfallschirm“, wurde mir bewusst. Hätte ich doch glatt vergessen. Ich wurde in die Gurte gepresst. Die MIG-29 brauchte nicht lange, um auf Fahrtgeschwindigkeit abzubremsen. Der Bremsfallschirm wurde abgeworfen und wir rollten zu unserer wartenden Bodencrew. Ich genoss die Fahrt dorthin und dachte, was für ein Abenteuer. Dieser Flug beinhaltete wirklich alles, was die MIG-29 zu bieten hatte. Ich war froh einen so erfahrenen Testpiloten wie Andrej gehabt zu haben. Er hatte mir mit der MIG-29 alles gezeigt. Ich hatte, wie Herr Bergweiler von Space Affairs sagte, „die volle Packung bekommen“. Der 40-minütige Flug war anstrengend, aber ich war überglücklich. Dann „parkte“ Andrej die MIG-29 an unserem alten Platz. Das Cockpit fuhr hoch und alle starrten mich an. Und ich hatte ein wirklich breites zufriedenes Grinsen drauf.
Meine Freude konnte jeder sofort erkennen. Wasili, der Organisator auf der russischen Seite, sagte mir später, er sah meine glücklichen Augen im Cockpit und wusste sofort, Volltreffer! Es muss mir gefallen haben. Das stimmte. Ich wurde losgeschnallt und stieg aus der MIG-29 aus. Die Leiter runter und merkte meine weichen Knie. Andrej nahm mich in die Arme und sagte, ich habe wirklich „sehr gut durchgehalten“. Ich umarmte Ihn und bedankte mich für diesen großartigen Flug. Ich bedankte mich überglücklich bei allen. Dann ging es in das Auto und ich fuhr mit Andrej zurück zum Basisgebäude.
Dieses atemberaubende Abenteuer werde ich nie in meinem Leben vergessen. Es war alles so perfekt organisiert. Es gab überhaupt keine Beanstandung. Alles war super und meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen. Ich danke Herrn Bergweiler von Space Affairs für die tolle Vorbereitung, Wasili und Sofia (Dolmetscherin) für die tolle einwöchige Betreuung in Russland und Andrej für die atemberaubenden Flugmanöver mit der MIG-29 „Fulcrum“.
Text © Copyright Thomas Stein
Thomas aus Berlin
MiG-29 Flug am 26. September 2007